Während wir in Sarmiento sind, werde ich von Martin, einem sehr guten Freund von Bernardo eingeladen, zur Señalada seines Onkels Rodolfo zu kommen. Ich denke mir da erstmal nichts weiter bei. Er meint, ich solle meine Familie mitbringen - es wird ein toller Tag mit Asado am Ende. Am Ende wovon? Na von der Señalada. Die Jungschafe (Corderos) werden markiert (es werden kleine Stückchen aus den Ohren gestanzt, um sie eindeutig dem Besitzer zuordnen zu können),
geimpft, es werden ihnen die Eier mit einem Gummi abgeklemmt und der Schwanz abgeschnitten. Und das alles in einem Rutsch. Es muss schnell gehen, denn es sind rund 400 Tiere. Viele Hände, schnelles Ende oder so.
Als wir ankommen, hat es schon begonnen. Die ersten Schafe hüpfen schon aus dem Stall. Sieht irgendwie lustig aus. Später weiß ich, dass es keine Freundenhüpfer waren, sondern vor Schmerz.

Wir gehen rein und werden freundlich von allen begrüßt. Alles eine Familie. Der Onkel von Martin, seine Tochter und ihr Mann. Vier oder fünf Kinder aus verschiedenen Beziehungen, Martin, seine Freundin, Bernardo und ich. Ich werde gefragt, ob ich die Schwänze mit der heißen Zange abtrennen möchte und verneine. Wenn ich hier heute niemandem weh tun muss, bin ich glücklich. Ich steige in das Gatter und hebe, gemeinsam mit Martins Cousine, gefühlt die nächsten 200 Schafe in die "Rutsche". Es passen maximal drei Corderos hinein und sie werden blitzschnell von allen Seiten bearbeitet.
Martin stanzt das Muster der Estancia in die Ohren, seine Großcousine gibt die Spritze, Rodolfo legt das Gummi um die Eier und Bernardo trennt den Schwanz ab.
Das hört sich martialisch an, soll aber der Fortpflanzung (man kommt einfacher ran) und Verringerung von Infektionskrankheiten dienen. Ich hinterfrage das in diesem Kontext nicht.
Nachdem sie das Ende der Rutsche erreicht haben und abgefertigt wurden, wird ein Hebel umgelegt und sie rutschen auf den Boden. Die ersten Schritte sehen aus, wie von einem alten Schäferhund, dem die Hinterläufe vor Arthrose schmerzen.




Immer wieder geht eine Flasche mit Likör umher. Wahrscheinlich auch, um die Mischung aus Schafsgeruch und verbranntem Fleisch zu verdrängen. Die Stimmung ist hoch und jeder einzelne trägt zur Effizenz der Unternehmung bei.
Noch häufiger als der Schnaps geht aber der Mate herum. Wie eine Friedenspfeife wandert der Holzkelch,
gefüllt mit den zerhackten Blättern der Matepflanze, immer wieder zu Martins Freundin zurück, die mit ihrer Thermoskanne neu auffüllt und weiter reicht. Das fühlt sich alles so fern von Social Media und Nachrichten an, dass sich trotz der Direktheit der Arbeit, eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit in mir ausbreitet.








Am Ende des Tages - wir sind schon gegen Mittag fertig - bereitet Rodolfo das Asado vor. Es gibt natürlich Lamm. Das ist eigentlich der Teil des Tages, bei dem man zusammen sitzt und enge Verbindungen knüpft.
Aber Bernardo und ich müssen zurück nach Sarmiento. Wim ist noch krank und Bernardos Bruder will Burger machen. Ja, eigentlich essen hier alle jeden Tag Fleisch.

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